Diese Seite soll einen Überblick über Richards Leben geben.

Für einen Lebenslauf war sein Leben zu kurz. Trotzdem hat er mehr erlebt, als manch alter Mensch.
Auf dieser Seite sind verschiedene Elemente, die für Richard wichtig waren und sein Leben beschreiben.

Venedig 2016

Jede Seite hat ein bestimmtes Thema, damit man sich mit den Abschnitten befassen kann, wie man möchte.
Man sieht, dass ich mehr Informatiker bin, als Designer; ich hoffe, diese Seite wird ihm trotzdem gerecht.


Sein Leben

Geboren wurde er am 29.01.2001 im St. Elisabeth-Krankenhaus Leipzig.

Krankheit

Die Krankheit würde ich an der Stelle gerne weglassen, aber sie bestimmt nun mal leider den größten Teil seines Lebens. Für den letzten Abschnitt ist die Krankengeschichte hier zu finden. Dort wird die letzte Phase der Grunderkrankung und der darauffolgenden Therapie beschrieben. Ohne diese hätte er diesen Tumor nicht bekommen. Aber er hätte es gar nicht bis dahin geschafft.

Im Februar 2003 bekam er einen Rota-Virus, der zur Behandlung in der Uniklinik führte. Der Wasserverlust erforderte eine Infusion. Dabei wurde ein Blutbild gemacht, welches eine zu geringe Thrombozytenzahl zeigte. Zu diesem Zeitpunkt waren wir gerade ein halbes Jahr in unserem, zu dem Zeitpunkt, neuen Haus.
Im Laufe der Zeit wurden die Blutwerte immer schlechter. Es versagte langsam die gesamte Blutbildung. Immer mehr Bluttransfusionen wurden notwendig und die Ärzte waren ratlos. Da die Ursache unbekannt ist, nennt sich diese Krankheit schwere aplastische Anämie (SAA).
Ab Mai 2004 begann eine Immunsuppressive Therapie, die als die „leichtere“ Therapie gegenüber der Knochenmarktransplantation vorgezogen wurde. Diese zeigte aber keine Wirkung. Daraufhin wurde die Transplantation vorbereitet. Nach Tests unserer Familie kamen eher Fremdspender in Frage, da die Werte nicht hundertprozentig passten. Wenn keine Spender gefunden worden wären, wäre ich als Bruder am ehesten in Frage gekommen.
Am 11.1.2005 wurde die KMT nach Vorbereitungen in Jena durchgeführt. Da war er gerade 4 Jahre alt. In Leipzig war die Klinik noch nicht für Kleinkinder zugelassen. So wurde unsere Familie auseinander gerissen.     Meine Mutter war mit Richard in Jena und ich mit meinem Vater hier zu Hause. Mein Vater hatte auch eine Erkrankung, da war ich dann auch mal “ganz allein” mit meinen Großeltern oder der Chefin meines Vaters.
Das Spender-Knochenmark wurde aus dem Raum Mainz nach Jena gebracht und infundiert. Dann begann die Zeit des Wartens von 100 Tagen. In dieser Zeit entscheidet sich, ob die KMT geklappt hat. Währenddessen musste Richard in einer Sterileinheit leben. Ein hermetisch abgeriegelter Raum, den man nur unter extremen Schutzmaßnahmen, über eine Schleuse, in der alles sterilisiert wird, betreten kann. Wenn man diese Prozedur nicht durchlaufen möchte, muss man im Schleusen-Zimmer bleiben und kann mit dem Patient nur durch eine Glasscheibe und über Lautsprecher kommunizieren. Das ist so klinisch kalt, wie es klingt. Aber ein harmloser Virus hätte ihn töten können, da sein Immunsystem noch nicht funktionierte.
Nachdem er wieder zu Hause war, hatte er dann doch noch eine Infektion. Deshalb musste er wieder nach Jena, was natürlich wieder in großer Angst resultierte. Letztendlich lief dann alles gut und es begann eine relativ normale Zeit.

Während der Zeit in den Kliniken haben meine Eltern und ich große Unterstützung durch die Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig e.V. (Webseite) und die Elterninitiative Jena e.V. (Webseite) erhalten. Zum Beispiel gab es Geschwisterprojekte für mich und den Klinik Clown „Knuddel“, der uns zum Schluß sogar mehrfach in Leipzig besucht hat.



Auf dem Bild ist er bereits in der Immunsuppressiven Therapie, weswegen er durch das Cortison etwas molliger ist.








Seine KMT hatte er am 11.1.2005 ca 14-17 Uhr im Klinikum für Kinder- und Jugendmedizin der FSU Jena.

Danach schien er erst einmal wieder gesund. Allerdings entwickelte sein Körper eine GvHD, welche sich in verschiedenster Weise auswirkte. Zum Beispiel auf die Haut des Körpers: so bekam er eine Art Neurodermitis oder viel später auch auf die Knochen: in Form einer Osteonekrose.


Richard hat, genau wie ich, bei der Musikschule Fröhlich Akkordeon gespielt. Auch da war er diszipliniert und eisern. Er spielte dann auch im Orchester. Seine letzte Fahrt mit dem Orchester ging nach Kroatien. Danach kam der Tumor.
Musikalisch hatte er alle möglichen Interessen.
Meine Eltern waren 2019 auf Sylt und waren in einer Veranstaltung mit Dr. Eckhart von Hirschhausen. Dazu hat ein Pianist, Christoph Reuter, eine Improvisation aus seinem Geburtsdatum gespielt. Diese Melodie wurde aufgenommen und man kann sie (siehe “Abschied” oben) auf der Webseite hören. Sie klingt ein bisschen so, als ob Richard selbst die Hände des Pianisten geführt hat.


Nachdem er (wieder genau wie ich zur Grundschulzeit) Wing Chun erlernt hat, hat er mit Karate angefangen. Er war es auch, der mich dazu animiert hat, mitzugehen, woraufhin ich über 5 Jahre dabei war. Obwohl ich vorher überhaupt nicht wollte und jetzt seit 4 Jahren boxe, was ich auch nie ohne Karate gemacht hätte.
Wegen der Osteonekrose durfte er dann keinen Sport mehr machen. Aber wir sind weiterhin regelmäßig im Rahmen des Rehasport-Vereins zum Schwimmen gegangen. Er war ziemlich unglücklich darüber, dass er nichts mehr machen durfte. Einmal nahm er sich das Fahrrad, entgegen der ärztlichen Anordnung und ist grinsend rumgefahren, was unsere Mutter sah – aber genoss. Er war regelmäßig zur Physiotherapie und machte auch diszipliniert seine Übungen zu Hause.

Neben seinen Klassenkameraden waren seine besten Freunde Elias, Max, Max, Florian, Paul, Konrad, Tommy, Bennett. Und dann war da Ilayda, die Freundin, die er auf Sylt kennen lernte. Sie war im Dezember nach Richards Tod ganz kurz mit Ihrer Tante hier.


Personenbeschreibung:

Ich
Der Bruder meines Freundes



Ich bin bei meinem Freund zuhause, und sein 14-jähriger Bruder ist auch da. Dieser sitzt auf dem Sessel, den er sich zurückgestellt hat.

Da sitzt ein Junge mit dünnen Armen, der, wie ich meine, sehr schlank ist. Manche würden vielleicht sogar sagen, er sei dürr. Er behält manche Kleidungsstücke von seinem Bruder, die dadurch etwas zu weit scheinen. Außerdem ist er klein für sein Alter. Sein Kopf ist bedeckt von dünnem, helleren braunem Haar, als das, seines Bruders. Normalerweise ist es zur Seite gekämmt, damit es den Wirbel, den es dort gibt, verdeckt. Jedoch wurde es letztens geschnitten und jetzt wirkt die Stirn sehr hoch und der Kopf eckig. Dies wird durch die markanten Kieferknochen verstärkt, die in einem spitzen Kinn zusammenlaufen. Im Gesicht gibt es ausschließlich kleine Dinge: ein kleiner Mund, zwei kleine Ohren und nette, braune Augen, welche dauerhaft tränen. Die Augenbrauen darüber sind fein und nicht sehr dicht. Auf der Nase sitzt eine rechteckige, braun/blaue Brille. Sein Hals ist dünn und dunkel, sodass er länger wirkt. Allerdings ist die Haut gesäumt von hellen Flecken.
Seine Hände sind wie alles an ihm klein und sehen gebrechlich aus; man kann die Sehnen sehen. Die Haut der Handfläche ist trocken. Die Nägel sind nur eine Art feste Hornhaut. Diese ganzen Erscheinungen, hat mir mein Freund erklärt, sind Nachfolgeerscheinungen von einer Transplantation und den Medikamenten die zum Teil wachstumshemmend waren. Diese waren einer Krankheit wegen nötig, die seinem Bruder fast das Leben gekostet hätte. Wegen einer aktuellen Krankheit darf dieser keinen Schulsport machen, sondern geht schwimmen und zur Physiotherapie. Akkordeon spielt er auch.
Der Bruder meines Freundes ist ein wenig zwiegespalten. Er ist humorvoll und selbstironisch, manchmal aber übertreibt er. Er kommt freundlich daher und ist in vielen Bereichen interessiert und begeisterungsfähig. Andererseits ist er oft in seinen eigenen Gedanken vertieft. Ich sehe ihn immer zuhause. Es scheint, dass er nicht häufig zu Freunden oder in die Stadt geht. Wenn er zuhause ist, hat er oft mit seinem Smartphone zu tun, an dem er jedoch nicht, wie so viele, mit jemandem schreibt, sondern YouTube- Videos schaut.

Genauso wie ich, ist er oft kindlich, vor allen Dingen da bei ihm der Stimmbruch noch nicht eingesetzt hat. Eine seiner Angewohnheiten ist es, dass er perfektionistisch ist und alles genau nimmt. Eine andere ist es, immer etwas zu tun haben zu müssen. Zum Beispiel besitzt er einen kleinen Ball, den er zuhause gern herum wirft und seine Eltern nervt.

Dies ist ein Text, den Richard für eine Schulaufgabe zur Selbstreflexion schrieb.


Das Lied findet Verwendung als Titelmelodie des Films “Chappie”, welchen Richard, so wie ich, sehr mochte.
Man merkt das ja an unser beider Technikbegeisterung!

Der Film hat Richard sehr inspiriert, wie man auch an seinem Bild sieht. https://open.spotify.com/embed/track/7vLHDdIIO862CZeRSx62mp


Richard ging nach der Grundschule Großstädteln in das Rudolf-Hildebrand-Gymnasium.
Den Kindergarten in Großdeuben konnte er nur kurz besuchen, dann musste er ins Krankenhaus. Später war er dann im Kindergarten Storchennest in Großstädteln. Dort hat er auch einen Boys-Day verbracht.

Die Elternhilfe hat während der letzten Phase eine Klassenaufklärung durchgeführt, indem mit den Schülern beider Klassen, in der Richard war, über die Erkrankung bis zum Tod und danach geredet wurde. Somit waren die Schüler (und Lehrer) nicht allein und hilflos, sondern wussten was passieren wird. Denn es kamen immer Anfragen, wie es ihm geht, worauf er schlecht antworten konnte. Sie haben für ihn auch ein Video geschaffen, was ihn aufmuntern sollte und ein Gruß an ihn war. Am ersten Schultag wurde für ihn in der Schule ein Gedenktisch mit einem Kondolenzbuch aufgestellt. Dieses Buch ist in den Dateien zu finden.

Das Schlimme für mich ist, dass zu diesem Zeitpunkt, an dem es die Mitschüler wussten, dass diese Krankheit tödlich ist, noch nicht einmal er selbst wusste, wie es um ihn bestellt war.. Zum Schluss haben wir ihn zwar, nach extrem langem und hartem Überlegen und Abwägen, mit den Ärzten und Psychologen darüber aufgeklärt, aber er wollte es mindestens nie wahrhaben. Wohl weil er es nicht verstanden hat (was ich auch eigentlich bis heute nicht habe) oder weil die Hoffnung zu groß war..


Trotz der „Behinderungen“ durch die GVH war er immer gut drauf. Nach und nach zeigte sich, dass er auch noch X-Beine entwickelt hatte. Dies wurde dann durch Einsetzen von Blockaden aus Metall und Kunststoff in die Knie korrigiert. Das waren immer wieder Operationen im Waldkrankenhaus Eisenberg. Danach musste er sozusagen von neuem laufen lernen, so dass er, auch in der Schule, immer mit Gehhilfen unterwegs war. Die letzte OP dafür war im März 2016, von der auch die letzte Sprachmemo stammt (siehe “Abschied” oben). 2012 hatte er einen Oberarmbruch, ohne das irgendwas passiert wäre. Die Kinderchirurgen waren überrascht. Viele Untersuchungen ergaben, dass seine Knochen, vor allem in Armen und Beinen, absterben. Das nennt man Osteonekrose. Auch hier konnte man nicht sagen, wodurch das passiert ist. Er hat sich in der Zeit noch einen Finger und den anderen Oberarm gebrochen. In Eisenberg wurde daher 2013 eine Ilomedinbehandlung versucht. Es war eine sehr schwere Behandlung, die er mit großen Schmerzen wie immer ertragen hat. Leider wieder mal ohne den gewünschten Effekt.
Daraufhin hat man bis 2015 in Jena eine 2 jährige Behandlung mit Bisphosphanat begonnen. Dazu musste er einmal im Monat nach Jena und eine Infusion mit diesem Mittel ertragen. Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen der übelsten Art. Auch das hat nichts gebracht. Währenddessen musste er sein Karatetraining aufgegeben, weil seine Knochen so empfindlich waren.
2016 hat er noch eine Kur für Asthma, Haut und Ernährung auf Sylt gemacht. Erst wollte er nicht, weil er sonst zu viel Schule verpasst. Auch typisch für ihn. Egal wie dreckig es ihm ging, die Schule war ihm trotzdem wichtig. Dort hat er seine schönste Zeit gehabt, auch seine Freundin kennen gelernt, von der wir alle nichts wussten.
Dann kam der Tumor. Extrem schnell und durch die GvHD verursacht. Die letzten sechs Wochen seines Lebens sind in dem Krankenbericht beschrieben. Das Eingangsbild stammt vom 13.8.16. Da war der Tumor schon sichtbar und schmerzte ihm sehr. Da wusste aber noch keiner, was es war. Denn die Diagnose kam am 17.8.16 – an meinem 19. Geburtstag..

Sein Tod war letztendlich ein Versagen der Lunge, die durch die GvHD zerstört war. Das was ihn 2005 gerettet hat, hat ihn 2016 getötet. Aber die 11 Jahre sind mehr Wert, als alles, was man sich vorstellen kann und das wurde nur erkauft, durch eine kleine Spende.


Dieses Bild zeigt ihn am letzten Tag in seinem Körper, auf der Kinder-ITS der Uniklinik Leipzig.
Er befindet sich dort bereits im komatösen Zustand: aufgrund des sehr hohem CO2-Gehaltes im Blut, von starken Schmerz- und leichten Beruhigungsmitteln und teilweisem Organversagen. Wir hofften und vermuteten, gemeinsam mit den Ärzten, dass er in diesem Zustand bereits keine Schmerzen mehr spüren konnte und vielleicht etwas Schönes geträumt hat. Oder das er vielleicht sogar gespürt hat, dass alle bei ihm sind.


Das Ende dieser, weniger Wochen dauernden, letzten Erkrankung, war am 4. Oktober 2016 um 19:55 Uhr. Am 20. Oktober war die Abschiedsfeier, bei der mehr Menschen kamen, als in das Gebäude passten. Und am selben Tag, ein Jahr später, wurde in der Markkleeberger Agra ein Baum zur Erinnerung gepflanzt. Und zwar genau an der Stelle, die auf einem seiner Bilder zu sehen ist.


Wir denken immer an dich.

Nach der Jugendweihe